„Vom ganzen Unwetter habe ich Sonnenbrand bekommen“ – @beatsonja via Twitter
ROCK AM SCHWIMMRING IST DURCH – ES LEBE ROCK AM RING.
Ich habe von Sonntag auf Montag zehn Stunden geschlafen. Das ist ungefähr doppelt so viel, wie vergangene Woche von Mittwoch bis Sonntag zusammen. Mein weiches Bett hat mich einen Tag eher wieder, als geplant. Denn Rock am Ring 2016 wurde aufgrund der Unwetterlage das erste Mal in seiner Geschichte vorzeitig abgebrochen. Was mir bleibt: Das obligatorische Festival-Bändchen am Handgelenk und ein verdammt hartnäckiges Einhorn-Klebetattoo, welches die erste heimische Dusche fast unbeschadet überlebte.
EIN FAZIT ÜBER FÜNF STATT SECHS TAGE MATSCHPARTY
Das Wichtigste zuerst: JA, ich bin als alter Rock-am-Ring-Gänger super traurig darüber, dass uns der Sonntag „genommen“ wurde. Aber natürlich geht die Sicherheit vor. Wenn die Behörden darüber entscheiden, dass keine Bands auftreten dürfen, dürfen halt keine Bands auftreten. Aufgrund der Unwetterwarnung hat das Land Rheinland-Pfalz sich über den Wunsch von Marek Lieberberg & Co. „hinweg gesetzt“ und den Stecker gezogen. Schade um z.B. Fettes Brot, Alligatoah oder Black Sabbath, die am Sonntag hätten spielen sollen. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, Opi-Rocker Ozzy Osbourne noch mal live auf der Bühne stehen zu sehen, bevor er abnippelt.
Stattdessen sah ich tausenden Festivalbesuchern im Gesicht die dicke Enttäuschung an. Viele Leute sparen nun mal lange auf dieses Wochenende hin, die Karten sind mit knapp 200 Euro so teuer wie ein Mini-Urlaub. Da will man so viel Festival-Luft schnuppern, wie möglich. Ob’s nach Schlamm, vollen Dixi-Klos, ungeduschten Zeltnachbarn oder frittierten Snacks riecht. Auch ich bin sehr enttäuscht über den vorzeitigen Abbruch – aber trotzdem werde ich nächstes Jahr wiederkommen.
Seit 2008 fahre ich jedes Jahr zu RAR – nächstes Jahr ist also mein eigenes kleines 10-Jahres-Jubiläum. Das lasse ich mir nicht vermiesen!
Rock am Ring 2016 ist wie immer viel mehr, als ein Band-Marathon. Man muss nur die Denkweise etwas verschieben. Ich war dann jetzt halt fünf Tage lang Abenteuer-Zelten mit meinen Freunden. Wir hatten eine verdammt geile Zeit auf dem Zeltplatz, denn Trübsal blasen nützt niemandem. Die Stimmung war die ganze Zeit ausgelassen und partywütig – wo immer ich mich auch umhörte und umsah. Es wurde Konfetti in den Matsch gestreut, die Haut mit Schlamm eingerieben (soll ja gut tun), Luftmatratzen zu Paddelbooten umfunktioniert und in Dosenbier getränkte Sonnentänze aufgeführt. JA – die Wetterlage war schlimm. Und es tut mir auch wahnsinnig leid für alle, die dadurch verletzt wurden. Aber man lebt beim Ring in seiner eigenen kleinen Festival-Blase – im Land der Sammelduschen, liebevollen Niveaulosigkeit und ausgeleierten Bandshirts. Das will man einfach so lange auskosten, wie es geht. Und vor Ort habe ich mich – auch wenn es komisch klingt – trotzdem sicher gefühlt.
Wir alle haben das Beste aus der Situation gemacht. Und das hätten wir auch gerne noch einen Tag länger getan.
Als am Freitag das Gewitter über uns hereindonnerte, war das natürlich ein Schreck. Ich musste direkt an 2015 denken – als das Gewitter stundenlang in der Nacht wütete und unser Zeltlager schnell in ein Weltuntergangs-Szenario verwandelte. Am Samstag wurde entschieden, erst gegen 21 Uhr die Bühnen wieder zu bespielen – weil Unwetter drohten. Wir wurden gegen Nachmittag – als dicke Wolken aufzogen –per Lautsprecher gewarnt und sollten uns in die Zelte oder Evakuierungszonen begeben. RAR verbuche ich also auch unter „das erste Mal im Leben evakuiert worden“. Ausgeharrt habe ich mit weiteren Besuchern in einem Hangar des ehemaligen Flugplatzes Mendig. Nach 20 Minuten war der Spuk vorbei – und es blieb anschließend trocken.
Was ich sagen muss: JA, man hätte uns ruhig eher vor Blitz-Donner-Konzerten warnen können, als 15 Minuten vorher. Die Ordner und freiwilligen RAR-Helfer konnten mir nicht mal sagen, wo sich die Evakuierungszonen befanden. Sie hatten ja eigentlich nur die Aufgabe, Duschmarken abzureißen, Leute zu kontrollieren oder den Einlass zu regeln. Aber weil Rock am Ring nun mal auch ein einziger Verband „fremder Freunde“ ist, kam keine Panik auf. Jeder half jedem – das ist hier Gesetz. Wo man sonst kommentarlos sein Dosenbier mit neuen Nachbarn teilt, wurden dieses Jahr gemeinsam Schutzzonen aufgesucht, Regenponchos geteilt, wasserdichte Schuhe aus Panzertape gebaut oder in trockenen Zelten zusammengerückt.
Und der Sonntag? Hitze pur statt Blitz und Donner. Kaum wurde abgebrochen, war das Wetter perfekt. Zumindest bis zum frühen Abend.
Dumm: Bei 27 Grad mussten ALLE Ring-Rocker zusammenpacken. Meiner Meinung nach war etwas unklug von offizieller Seite aus zu sagen, dass bis 12 Uhr jeder den Platz räumen solle. Denn so strömte ich mit Zigtausenden Besuchern wie die kleinen Packesel bepackt zusammen zum Auto. Und stand erst mal 5 (!!) Stunden in der prallen Hitze auf dem Parkplatz. Denn es ging nicht vor, nicht zurück, nicht diagonal und auch nicht mit Schmackes von der matschigen Wiese auf die Straße runter. Prompt dehydrierten viele Menschen, Notfalllager des DRK wurden eingerichtet, man verteilte irgendwann nach Stunden dann doch noch Gratis-Wasser.
Dann lieber so verfahren, wie am Samstag. Mit einer Spielunterbrechung – denn es steht jeder Person frei, freiwillig und jederzeit die Heimreise anzutreten. Ich kann jeden echt gut verstehen, der sein Zeug zusammenpackte und fluchtartig RAR verließ. Für meine Gruppe und mich kam es trotzdem nie in Frage. Wir hätten am Sonntag noch gerne bei Sonnenschein weiterhin am Zeltlager Bier und Grillwurst geteilt und der Boombox gelauscht.
Immerhin können wir alle nun erzählen: Wir waren dabei, als Rock am Ring 2016 abgebrochen wurde. Und ein paar wenige Bands machten aus dem Matsch-Massenzelten dann doch noch ein Mini-Festival.
Übrigens: Während mein Einhorn-Tattoo ruhig noch etwas meine Hand zieren darf, werde ich vielleicht das erste Mal seit 2008 mein Bändchen frühzeitig abschneiden. Es ist schwarz-gelb. Und ich bin nun mal Schalke-Fan …
*Dieser Artikel von mir erschien auch auf www.bild.de
5 Comments
Toller Bericht! Ich war auch vor Ort und hab das alles ganz ähnlich wie du erlebt: irgendwie war das Wetter am Freitag Abend angsteinflößend, aber sicher habe ich mich auf eine – im Alltag unbekannte Weise – trotzdem gefühlt: alle haben aufeinander geachtet, alle haben einander geholfen und auf dich auf gepasst. Ein Riesen Haufen ‚fremde Freunde‘ trifft es so gut!
Was mich irgendwie nur erschreckt: von den vielen vielen Leuten mit denen ich gesprochen habe wusste niemand etwas von den Evaluierungszonen, lese selber gerade das erste Mal davon … Informations Weiterleitung hat also wieder 0 funktioniert vor Ort.
Das mit den Infos ist leider so wahr. Wir haben das auch nur über Hörensagen im richtigen Moment mitbekommen und es anderen Leuten zugerufen. Gut informiert von offizieller Seite her fühlte ich mich da nicht. Liebe Grüße <3
Ich mag deinen Post sehr! Ich war dieses Jahr das erste mal dort und wollte endlich mal diese Rock am Ring Atmosphäre zu spüren bekommen. Demzufolge war ich dermaßen enttäuscht, als ich am Ende gerade mal eine Band gesehen hatte. Vom Gelände mal abgesehen, von dem ich nahezu nichts zu sehen bekommen hatte. Die Menschen, die Atmosphäre, das Gelände alles gefiel mir unglaublich gut. Black Sabbath nicht gesehen zu haben, hat mir fast das Herz gebrochen. Wann bekommt man diese Möglichkeit denn nochmal. Fazit: ich war/bin leider sehr enttäuscht nur einen kleinen Ausschnitt des „wirklichen“ Ring’s erlebt zu haben. Dass ich soviel Bands nicht sehen konnte, drückt die Stimmung doch sehr. Das Wetter wäre für mich kein Problem gewesen und man hätte alles anders regeln können. Schade ist’s drum. Trotzdem ein toller Rückblick von dir und ich glaube die Feierlaune hat trotz allem niemand verloren. 🙂
Ganz liebe Grüße,
Johanna | http://dream-factory-of-my-world.blogspot.de
Ich wollte auch unbedingt Ozzy sehen und die Band und kann dich total verstehen! Ich hoffe, dass es nächstes Jahr besseres Wetter gibt, denn wenn die Bands wie geplant spielen und man etwas Sonne hat, ist es einfach eine unbeschreibliche Zeit und Atmosphäre dort. Das solltest du dann noch mal richtig auskosten dürfen 🙂
Mein Post zu RaR 2016 ist soeben online gegangen und spiegelt meine Gedanken wieder, die leider nicht sonderlich positiv ausfallen.
http://www.herzensglueck.com/2016/06/rock-am-ring-2016-tommorow-forever-oder.html
Das letzte Bild von dir ist wirklich super, super schön!
Liebe Grüße,
Vanessa