Wisst ihr, ich bin eigentlich so gar kein Freund des Wanderns. Ich habe schon als Kind nicht verstanden, wieso alle Menschen immer Spazieren gehen, wo man sich doch auch Zuhause mit seinen Spielsachen beschäftigen kann. Ich stand auch als Teenager nicht auf lange romantische Abende irgendwo am Ufer, werde wohl nie die sein, die freiwillig die Wanderschuhe auspackt und würde absolut never ever auf die Idee kommen, mir so Wanderhosen mit abtrennbaren Beinen zu kaufen. Ich bin nicht picky, aber da hört der Spaß für mich auf. Und dann stehe ich plötzlich in Amerika, natürlich ohne Wanderhose und Wanderschuhe und noch nichtmal mit einer dicken Jacke, weil ich bei der Planung meines Sommer-Urlaubes nicht für möglich gehalten habe, dass es kühl werden kann. Und bin von der Schönheit des Yosemite-Nationalparks wie erdrückt. Ich kann zum allerersten Mal Menschen verstehen, die Bäume spannend finden und sie umarmen. Spoiler: Nein, natürlich habe ich keine Bäume umarmt, sondern nur meine Reisebegleitung Chiara, die deutlich besser im Wandern ist, als ich.
Auf unserer Reise durch Kalifornien war der Stopp im Yosemite Nationalpark immer eine Option, die nicht uuuuunbedingt sein musste. Ich gebe zu: Ich freute mich vorher viel mehr auf Los Angeles und San Francisco – und am wenigsten auf die Natur in der kalifornischen Sierra Nevada. Warum? Vermutlich, weil mich die Autofahrt dahin abschreckte. Denn von San Fran bis zum Park sind es gute sieben Stunden per Auto. Und zurück nach Los Angeles, von wo unser Rückflug ging, ebenfalls. Wir hatten also knappe 24 Stunden im Yosemite Park. Und irgendwie schien mir das für so viele Kilometer zu wenig. Aber wisst ihr was? Ich bin heilfroh, dass Chiara auf den Stopp beharrte und wir den Umweg gefahren sind, statt von San Francisco direkt wieder nach L.A. zu düsen. Der Roadtrip war lang, ja. Aber er war schlicht perfekt. Menschenleere Straßen durch die Natur, wir fuhren an winzigen Dörfern vorbei und kamen durch Städte, die nur aus einer großen Straße und ein paar Gassen bestanden. Zwischendurch sahen wir aus dem Augenwinkel den heißesten Feuerwehrmann der Geschichte, für den wir fast umkehren wollten. Aber so ein kleiner Plausch mit dem Typen war zeitlich leider nicht drin.
Ich habe mir vor der Reise zum Yosemite Nationalpark natürlich auf Instagram den Ort angeguckt und unter dem Hashtag die atemberaubenden Fotos angesehen. Und dachte mir noch: „PUH. Gehört nicht nur Talent dazu, solche Momente einzufangen, sondern auch Glück“. Denn der Yosemite ist groß. Sehr groß. Flächenmäßig erstreckt er sich über 3081 Quadratkilometer entlang der westlichen Hänge der Sierra Nevada. Jährlich kommen etwa drei Millionen Besucher in den Park, von denen die meisten nur den zentralen Teil des Parks, das Yosemite Valley, besichtigen. Alles andere ist schlicht unmöglich, wenn man nur kurz dort ist.
Mit unseren 24 Stunden hatten wir also keine andere Möglichkeit, als „nur“ das Valley zu besuchen. Aber, Leute: Das reichte dicke. Es reichte, um mich zu überzeugen, dass diese Natur in ihrer Schönheit einmalig ist. Ich sitze hier vor dem Laptop und kann mit bescheidener Sicherheit sagen, dass ich so etwas noch nie gesehen habe und einfach fassungslos war. Über die Größe der Berge, die vielen verschiedenen Bäume, über Wasserfälle, die plötzlich aus dem Nichts erschienen, Schluchten, die krasser aussahen, als jeder Weg nach Mordor. Und Farben, die gegen jeden Instagram-Filter der Welt gewinnen. Ich war also einen Tag lang EINS mit der Natur und habe Kraft getankt. Ich hatte kein Problem damit, zu Wandern. Nur dass ich keine dicke Jacke dabei hatte, war dumm. Denn im Park weht buchstäblich ein anderer Wind.
UNSER ZEITRAUM: Wir kamen Nachmittags am 16.11.2017 im Yosemite an und sind am 17.11.2017 gegen Nachmittag wieder in Richtung Los Angeles aufgebrochen.
ÜBERNACHTET haben wir auf der Sierra Sky Ranch. Und ich kann euch dieses schnuckelige, rustikale Hotel sehr empfehlen. Es war so unfassbar urig und liebeswert eingerichtet, das Personal ist goldig, das Restaurant zaubert unfassbar leckere Gerichte und Chiara und ich fühlten uns, wie in einem Western-Film. Wir hatten einen Kamin auf dem Zimmer, konnten in die Natur vom Zimmer aus schauen, es gab eine Badewanne, ein Lesezimmer und Frühstück inklusive. Ich würde immer wieder hier übernachten.
DER WEG vom Hotel bis zum Yosemite Valley war dafür etwas länger. Wir fuhren rund eine bis 1,5 Stunden hoch zum Eingang des Parks. Natürlich gibt es auch im Park selbst Hotels. Die sind aber gerne utopisch teuer und dafür gar nicht so liebevoll eingerichtet. Also fuhren wir gerne die Strecke mit dem Auto.
DAS WETTER war leider FURCHTBAR. Und damit komme ich zum negativen Teil: Der erste Tag im Yosemite war gelinde gesagt für’n Arsch. Denn als wir ankamen, herrschte Platzregen. Wind, peitschende Nässe, Nebel ohne Ende. Mit 10 km/h tuckerte ich zwei Stunden lang die einzige Straße zum Yosemite Valley hoch. Und wir reden hier von einer sehr kleinen Straße, die einen sehr steilen Berg hinaufführt. Kommt dir jemand entgegen, ist es erstmal eng und ich hielt die Luft an. Weil ich dachte, dass unser Ford Mustang eigentlich ein dicker Truck ist, der niemals neben einem anderen fahrenden Auto vorbeipasst.
Chiara und ich fuhren trotz des Starkregens weiter bis zum Eingang, wo ihr ein Eintrittsgeld von rund 20 Euro bezahlen müsst. Aber pro Auto und nicht pro Person. Und der Pass, den ihr dafür bekommt, ist eine Woche gültig. Ihr müsst den Preis also nur einmal bezahlen. Die Scheibenwischer unserer Karre kamen kaum noch nach, die Scheinwerfer beleuchteten nur das, was unmittelbar vor uns lag. Weil der Nebel alles verschlang:
Wir hielten an einem berühmten Aussichtspunkt auf der Strecke den Berg hoch und haben – oh Wunder – NICHTS gesehen. Vor uns sollten sich Schluchten und Bäume und Berge mit Wasserfällen erstrecken. Wir sahen eine grau-matschige Nebelwand und Regen. Meine Brille war nach einer Sekunde so triefnass, dass ich blind ins Nichts starrte. Unser Plan war, immerhin bis zum Visitor Center zu fahren, um schon mal nach einer geeigneten Wander-Route für den nächsten Tag zu fragen. Denn mittlerweile war es eh fast Abend und es dämmerte, so dass wir (ob Unwetter oder nicht) eh nicht losgewandert wären. Wenn schon Yosemite, dann will ich ja auch was sehen. Blöd nur, dass das Visitor Center nur zu Fuß (!!) zu erreichen ist und das Auto auf einem großen Parkplatz 10 Minuten entfernt parken muss. Zehn Minuten. ZEHN Minuten. Wir versuchten es zwar und rannten todesmutig los, nach der Hälfte der Zeit erreichten wir aber völlig fertig ein Klo-Häuschen und machten da Pause. Und entschieden uns, umzudrehen. Ich war schon bis auf den Schlüppi nass, meine Schuhe waren eine pitschnasse Pfütze, ich sah wirklich aus wie geduscht. Also Kommando zurück – und ab ins Auto! Dank Sitzheizung wurde der Po immerhin etwas trocken und nach zwei Stunden und erneuten 10 km/h Höchstgeschwindigkeit kamen wir wieder am Hotel an. Und die Mitleids-Blicke der Empfangsdame werde ich wohl nie vergessen.
Hier: Mit Nebel und Regen …
… hier die Sicht ohne Regen und mit wenig Nebel.
Am nächsten Tag war es zwar immer noch sehr nebelig, aber TROCKEN. Und wir wurden mit tollen Eindrücken belohnt. Am besagten berühmten Aussichtspunkt sahen wir endlich mal Natur statt nur Nebel.
Und so schafften wir es zu Fuß vom Parkplatz trocken zum Visitor Center und die freundlichen Damen vor Ort markierten uns auf einem Plan unsere Route. Die war zwei Stunden lang und ich fand es überhaupt nicht schlimm, so lange zu Fuß unterwegs zu sein. Liegt wohl an den Eindrücken vor Ort, die mich schlicht geflasht haben. Und so konnte ich doch noch Fotos knipsen, über die ich mich so sehr freue und über die ich mich auch in 20 Jahren noch freue, wenn ich sie wieder angucke. Die meisten Bilder sind übrigens mit dem iPhone (6s) geknipst, die Kamera habe ich nur ab und zu verwendet.
Und hey, das Wetter meinte es zum Schluss noch echt gut mit uns: Als die Sonne rauskam, tauchte natürlich genau ein Regenbogen am Wasserfall auf, als wir dort waren. Klingt schon fast zu schön, um wahr zu sein. Ist aber tatsächlich so passiert und keine billige Photoshop-Collage. 🙂
Mein Fazit: Wann immer ihr die Möglichkeit habt, einen Teil des Yosemite-Nationalparks zu sehen: MACHT ES! Aber nehmt eine Jacke mit …
Mehr zu meinem Urlaub durch Kalifornien habe ich auch hier auf dem Blog im Roadtrip-Tagebuch, Los-Angeles-Artikel und meiner Kostenkalkulation aufgeschrieben.
No Comments